Blogparade #1: Mein (schulisches) Motto für 2024

Da ich ja durchaus den textbasierten Austausch mag – auch wenn ich meine social media Heimat im instalehrerzimmer gefunden habe und nie bei Twitter (der Tonfall war einfach nicht meins) – und die von (unter anderem) Herr Mess vorgeschlagene Blogparade viele interessante Themenvorschlägen bereit hält, dachte ich, reaktiviere ich doch auch mal meinen Blog. Der letzte Beitrag erschien 2013…. mal gucken, ob das hier nachhaltiger wird, denn eigentlich lebe ich vom direkten Austausch, den Diskussionen in den Kommentaren oder direkten Nachrichten (deswegen waren für mich an der Uni bspw. Seminare auch deutlich besser als Vorlesungen, bei letzteren hatte ich echt extreme Schwierigkeiten, dran zu bleiben…).

Langer Vorrede, kurzer Sinn: Das erste Thema – mein (schulisches) Motto – spricht mich an, weil bei mir ein Wandel gerade eh Thema ist (auch wenn ich sonst überhaupt kein Fan von Vorsätzen, Zielsetzungen, Motto etc. bin und lieber dem Bauch nach agiere).

Mein Plan ist es, die ersten Schritte in Richtung selbstreguliertes und offeneres (und dadurch individualisiertes) Lernen weiterzugehen.

Das Schuljahr 2022/23 war eines, in dem ich an oder gar über meine Grenze gegangen bin (lag sicherlich auch mit daran, dass ich nach meiner Corona-Erkrankung im Oktober ’22 einfach monatelang nicht mehr richtig auf die Beine kam, bis im Mai ’23 die Notbremse gezogen werden musste). Ich habe lieb gewonnene Aufgaben wie die SV, die ich seit 2015 kontinuierlich begleitet habe, abgegeben und mich ganz darauf konzentriert, was für Unterricht möchte ich eigentlich machen? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten möchte ich meinen Schüler*innen eigentlich vermitteln. Das klingt jetzt in der Rückschau deutlich geplanter und durchdachter, als es tatsächlich war.

Der Prozess verlief eher so, dass ich auf instagram viele interessante Ideen gesehen hatte, die mein Unwohlsein bezüglich des normalen Gleichschritts (alle lernen das gleiche zu gleichen Zeit im gleichen Zeitraum, weil sie zufällig gleich alt ist) verstärkten und vor allem einen Weg raus boten, den ich für umsetzbar hielt. Denn seien wir ehrlich, mit mehreren Korrekturgruppen, davon vielleicht mehrfach Oberstufe, ist oft eine aufwendigere Unterrichtsplanung und mehrfache Differenzierung kaum möglich. In meinem Hinterkopf schwelt dann immer so eine ganz grobe Idee und arbeitet im Unbewussten weiter. Irgendwann setze ich mich selber unter Zugzwang, indem ich den Schüler*innen einfach ankündige, dass wir jetzt etwas anders machen werden – und dann muss ich es halt auch durchziehen.

Das ging im letzten Halbjahr durchaus auch zu Lasten der zeitnahen Korrekturen (fairerweise, noch nie meine Stärke, diesmal hat es aber einfach noch länger gedauert). Denn wenn ich eine komplette Unterrichtsreihe projektartiger und mit Methoden des selbstregulierten Lernens umsetzen möchte, muss ich mich in vieles ganz neu reindenken, neue Strukturen verstehen, finden, für meine Klassen anpassen, alles zusammenstellen und auch erstellen (und hinterher/währenddessen reflektieren)… das kostete durchaus viel Zeit. Dafür hatte ich dann aber während des laufenden Projekts deutlich mehr Entspannung – und vor allem im Unterricht viel mehr Zeit für die Kinder, konnte mehr auf sie eingehen. Ich konnte meine sehr leistungsstarken und nach sinnvollen Aufgaben hungernden Mädels auch tatsächlich mal fordern und nicht nur ein bisschen vertrösten und beschäftigen. Die Beziehung zu meiner einen Klasse, die ich neu übernommen und mit der ich im „klassischen“ Unterricht extrem gekämpft habe, hat sich deutlich verbessert, u.a. weil ich deutlich entspannter bin, denn ich muss nicht mehr krampfhaft im 90-Minuten-Modell alles ständig unter Kontrolle halten (auch wenn einige immer noch sehr unzufrieden sind, dass ich ihnen nicht einfach lehrerzentriert alles mehrfach vorkaue…).

Zwei andere Faktoren haben diese Entwicklung übrigens auch verstärkt: eine sehr leistungsstarke Englischgruppe in der Mittelstufe und der sehr leistungsstarke und vor allem sehr offene und motivierte Englisch LK, der dieses Jahr Abi machen wird (sie werden mir sehr fehlen…). Vor allem in der Mittelstufe stellte sich schnell heraus, dass diese Gruppe mit dem Lehrwerk komplett unterfordert wäre. Ich selber finde das Lehrwerk langweilig und dieser ewig gleiche Ablauf von „Text – eine Aufgabe zum Textverständnis – eine Aufgabe zum Erarbeiten der Grammatik in diesem Text – zwei Übungsaufgaben zur Grammatik – ein längerer Text mit immer gleichen Aufgaben“ nervt mich sehr. Die Schüler*innen brauchten mehr Futter, sie sollten die Sprache anwenden, ihre wirklich guten Kompetenzen nutzen und weiter ausbauen. Und im LK war es ähnlich – auch wenn es da kein Lehrwerk gibt. Sie haben sich bereitwillig auf alles eingelassen und sind alle meine Experimente mitgegangen und haben dabei immer gutes Feedback gegeben.

Und das ist ein weiterer Baustein, den ich letztes Halbjahr konsequenter begonnen habe und weiterführen möchte: regelmäßiges Feedback zu den Reihen, zum Unterricht, zu meinen „Experimenten“. Diese mache ich immer über moodle, da es so anonym gegeben werden kann (auch wenn zum Glück gerade der LK, meine ich, auch im Gespräch sehr offenes und ehrliches Feedback gibt und keine Sorgen zu haben scheint, dass ich ihnen das negativ auslegen würde).

Denn es ist bei mir auch noch viel trial and error, experimentieren – meine letzte Reihe im LK verlief für mich bspw. nicht so befriedigend (und für mich habe ich auch schon einige Anhaltspunkte gefunden, die in der Planung lagen, bin aber gespannt, was der Kurs noch sagen wird). Es ist die Erkenntnis, dass die 6er und 7er und auch 8er alle an wirklich sehr unterschiedlichen Punkten stehen und nicht unbedingt alles methodische einfach so übertragen kann. Hier bin ich auch auf die Rückmeldungen der Schüler*innen angewiesen – zusätzlich ist das Reflektieren ja auch zentraler Bestandteil des selbstregulierten Lernens.

Ein weiterer Punkt, der für mich auch dazu gehört, sind die Klassenarbeiten. Hierbei meine ich vor allem die SI, in der Oberstufe sehe ich da momentan noch nicht wirklich Spielraum. Dazu gehört für mich im ersten Schritt die Gestaltung der Klassenarbeiten, so dass sie möglichst wirklich Raum geben, Kompetenzen zu zeigen. Mein erster Schritt war erst mal Emotionsregulation, indem ich die Spickzettel-Methode nutzte: Alle bekommen vor Beginn der Arbeit ein Post-It von mir, auf das sie alles schreiben durften, was sie möchten. Meine Mittelstufe hat das extrem gut angenommen, es hätte ihnen tatsächlich Druck genommen und sie fordern es auch immer wieder ein bzw. erinnern mich daran.

In einer anderen Klasse teste ich jetzt eine erste Variante einer Art open book Arbeit beim Thema Grammatik. Ich hatte eh ein Quizlet angelegt mit allen Fachbegriffen zum Lernen, die werde ich ausdrucken und sie können da noch mal nachgucken. Es geht mir ja darum, dass sie mit den Phänomenen umgehen und Sprache untersuchen können und nicht darum, um die 40 Begriffe auswendig zu lernen.

Ich möchte noch mehr in diese Richtung weiter gehen, um auch wirklich die bspw. in unserem Kernlehrplan geforderten Kompetenzen der Textplanung und Textüberarbeitung einbauen zu können. Das ist eigentlich realistisch in 45 Minuten (Zeitfenster einer Klassenarbeit in Klasse 5-6, teils 7) nicht machbar.

Ebenso versuche ich schon etwas länger, auch die Berichtigungen fokussierter zu gestalten, den Schüler*innen auch hierbei beizubringen, ihre Arbeiten auszuwerten, Schwerpunkte zu setzen und an diesen zu arbeiten, statt einfach nur alles noch mal „richtig“ abschreiben (da sind dann in der Regel eh wieder jede Menge neue Fehler drin).

Es passiert für mich also gerade sehr viel. Und es klingt nach sehr viel Arbeit. Aber es ist für mich gerade so sinnstiftend und macht mich gerade deshalb auch sehr zufrieden und es geht mir so viel besser als letztes Schuljahr.

Der letzte Plan ist, diese ganzen Projekte und Ideen zu dokumentieren, reflektieren und sie dann auch zu teilen. Da suche ich aber noch einen gangbaren Weg für mich – und es steht auf der Prioritätenliste weiter hinten (sogar hinter den Korrekturen 😉 ).


(Kurz fassen ist leider nicht meine Stärke… ich hätte wahrscheinlich schon längst wieder bloggen sollen – oder vielleicht sind gerade deshalb social media eher meins, weil ich mich kürzer fassen muss ;-p)

Hier finden sich andere Beiträge der Blogparade, die ich hoffentlich ergänzen werde (wenn ich wieder sicher weiß, wie wordpress funktioniert… ich habe viel vergessen…):

Und hier ein Auftakt-Beitrag, auf dem sich auch der link des ZUM Pads mit den Themenvorschlägen findet:

Zeugs

Mal wieder unsortiert ein paar Gedanken, Erlebnisse aus dem Schulalltag, die mir so durch den Kopf gehen.

1. Inklusion: Inzwischen ist es sicher, ich werde in der neuen integrativen Lerngruppe unserer Schule unterrichten und zwar das Fach Musik. Der Zertifikatskurs dazu folgt auch nächstes Schuljahr, also kommen da gleich auf zwei Ebenen neue Dinge auf mich zu. Das erste Treffen mit unserer neuen Kollegin, der Sonderpädagogin, fand bereits statt. Insgesamt stimmte sie mich sehr positiv, sie wirkte sehr tough, direkt, klar und scheint zu wissen, was sie will. Klare Kommunikation ist doch sehr wichtig in so einer Situation.
Das neue Team besteht übrigens eigentlich nur aus jungen Kolleginnen (die Meldungen erfolgten auf freiwilliger Basis)…der eine ältere Kolleg wurde wohl mehr oder weniger gebeten, da sich aus der Kunstfachschaft wohl keiner gemeldet hatte.
Neidisch wurde ich, als erläutert wurde, was alles an Ausstattung und Möbel in die neue Klasse kommt. Ganz ehrlich, da würde jede andere Klasse genau so von profitieren: Regale und Schränke, vielleicht noch ein Teppich… Das könnte jede Klasse gebrauchen – und würde vielleicht dabei helfen, Schule mehr als Heimat anzusehen und sie weniger vermüllen zu lassen.

2. Musik Zertifikatskurs: Die Genehmigung ist also da, mit dem nächsten Schuljahr geht es los. Momentan nehme ich auch wieder Klavierunterricht – wobei ich den schon öfter habe ausfallen lassen, weil ich zu wenig geübt habe oder schlicht viel zu kaputt war. Leider habe ich am Tag des Unterrichts immer lange Schule, das schlaucht ganz schön. Habe schon ordentlich Respekt vor dem Kurs und vor allem auch vorm Unterrichten, erhoffe mir aber auch sehr viel Spaß und langfristig gesehen auch Entlastung, denn beim Korrigieren werde ich immer langsamer (die Durchschnittszeit für eine Klausur hat sich verbessert, der Widerwillen, mich an die Korrekturen zu setzen, ist gewaltig gestiegen und meine Ausdauer, wie viele Klausuren am Stück ich schaffe, ist gewaltig gesunken – einen Teil schiebe ich auch auf den unregelmäßigen Schulalltag).

3. Das Problem mit der Routine: Was mich zunehmend stresst – und was ich so bis dato noch nie wahr genommen habe -, ist, wie schwer es im Schulalltag ist, regelmäßige Abläufe aufzubauen. Jeden Tag in der Woche habe ich andere Zeiten, fange mal früh an, mal mittelfrüh, mal spät, gehe mal relativ früh, bleibe wann anders länger, mal viele Freistunden, mal keine… Und dazu noch dutzende Zusatztermine, Konferenzen. Seit ich die Zeiten für meine Hundebetreuung angeben muss, fällt mir erst mal auf, dass ich maximal alle sechs Wochen mal eine Woche OHNE irgendeine Konferenz, meeting, etc pp habe. Und fast am nervigsten: Viele dieser Termine kommen kurzfristig mit maximal einer Woche Vorlaufzeit. Langfristige Planungen kann man also vergessen. Das hätte ich so nicht erwartet. Eventuell ist es auch nur an unserer Schule so extrem, aber ich fände es schon hilfreich, wenn ich da mal unter der Woche Routinen und Rituale entwickeln könnte, z.B. eine regelmäßige Zeit zum Klavierüben, Korrigieren/ Schreibtischzeit, regelmäßige Essenszeiten – und auch gleichmäßigere Schlafenszeiten wären toll…

3. Freiarbeit: In meiner 5. Klasse experimentiere ich gerade mit Freiarbeit, eine Doppelstunde in der Woche (dank bilingualem Zweig habe ich davon 7) ist der Freiarbeit gewidmet. Die Kinder dürfen sich aussuchen, was sie tun, so lange es Englisch ist. Das Konzept ist noch lange nicht ausgereift – verdient eigentlich noch nicht mal den Namen ‚Konzept‘. Ich hab einfach angefangen und passe es gerade dem an, was die Schüler so tun und welche Probleme so auftauchen (eines bin u.a. ich, die mehr Geduld und Vertrauen aufbauen muss). Überwiegend schreiben sie Dialoge, die sie dann vorführen (muss auswendig vorgetragen werden), drehen kleine Filme oder schreiben Geschichten. Material liegt aus, aber nicht allzu viel. Dazu noch englische Lektüren und Zeitschriften, so dass sie auch einfach mal nur lesen können. Außerdem steht ein Laptop mit Internetzugang zur Verfügung, so dass sie da auf ego4u oder ähnlichen Seiten üben, spielen etc können (die genannte Seite habe ich mal zur Klassenarbeitsvorbereitung allen Kindern gezeigt und eine Doppelstunde im Computerraum mit ihnen darauf verbracht). Zu Beginn jeder Stunde füllen sie auf einem Laufzettel aus, woran sie heute mit wem arbeiten wollen und ob es ggf mir schon zur Korrektur vorgelegt wurde (denn das müssen sie tun, bevor sie üben oder etwas aufnehmen – dabei korrigiere ich alles, auch das, was sie noch nicht wissen können, getreu dem Motto, dass sie es über benutzen und anwenden verstehen, bevor ich es irgendwann thematisiere). Außerdem müssen sie am Ende per smiley einschätzen, wie gut sie gearbeitet haben. Aus meiner Sicht hapert es hier mitunter noch an Selbst- und Fremdwahrnehmung, aber vielleicht muss ich da auch einfach entspannter werden.
Den meisten Kindern macht diese Stunde Spaß (Fünfer lieben Dialoge schreiben ja eh sehr), ich selber bin noch etwas hin und her gerissen zwischen der Überlegung, ob dabei wirklich so viel „rumkommt“ und der Überlegung/Frage, wie viel bei den einzelnen Schülern im traditionellen Unterricht tatsächlich „rumkommt“ und was ich nur glaube, dass es „rumgekommen“ ist. Aber ich finde bis dato keinen besseren Weg mit der starken Heterogenität der Klasse umzugehen.

Speaking of Heterogenität: Da habe ich mir gerade evtl ein Ei gelegt. Ich lese mit meinen Fünftklässlern eine Lektüre. Da ich fünf ’near native speaker‘ und 26 reguläre Fünftklässler habe, lesen besagte fünf eine andere, sprachlich anspruchsvollerer Lektüre und werden auch dementsprechende Aufgaben bekommen. Wie so oft, voll durchdacht ist das Ganze noch nicht, ich mache so etwas das erste Mal. Die Einstiegsstunde heute war etwas chaotisch, u.a. da ich vorher noch erläutern wollte, wie wir da Vokabeln lernen (lesson vocab an der Tafel und individuelle Vokabeln nach der Lektüre jedes Kapitels…vielleicht etwas zu anspruchsvoll…) und reading strategies. Leider ging mir dann die Zeit aus und ich wollte die Kinder endlich lesen lassen, so dass ich sie erst mal die Einleitung, die deutlich schwerer als die Kapitel ist, lesen ließ ohne vorher die schwierigen Vokabeln zu entlasten. Blöd.
Aber ich hoffe denke, dass die nächsten Stunden runder laufen, wenn die fünf near native speaker und die anderen ihre Aufgaben und ihren ‚flow‘ gefunden haben. Denn überwiegend will ich sie ihrem Tempo entsprechend lesen lassen.
Unklar bin ich mir noch, wie genau ich das Problem Klassenarbeit angehen werde, sprich was für Aufgaben ich da stellen kann. Aber ich glaube, das wird beim Arbeiten mit den Kindern deutlich, wie viel sie damit wirklich schaffen, wie schwer ihnen das zusammenhängende Lesen fällt.

Nein, nicht alle meine Reihen/ Unterrichtsprojekte sind so improvisiert, lediglich ganz neue Dinge starte ich mit groben Ideen und Lernzielen (sprich, was ich mir erhoffe, worauf der Fokus liegen wird, hier logischerweise Leseverstehen) und präzisiere dann entlang der Reihe und den Reaktionen der Kinder.

That’s all for now, folks!

Schul-Klischees im Faktencheck – or so they say

Lese gerade immer mal wieder die Artikel des vermeintlichen Faktenchecks im Schulspiegel.
Davon mal abgesehen, wie viel Faktencheck in so einem kurzen Artikel, der häufig die Unterschiede zwischen den Bundesländern und Schulformen völlig verkennt – oder sich dessen nicht mal wirklich bewusst ist? – möglich ist…
An guten Tagem lese ich auch die Kommentare (an schlechten Tagen lasse ich das lieber, weil mir dann die Wut, die einem von einigen Usern dort entgegenschlägt, einfach zu nahe geht). Wobei der Großteil der Kommentare zum Glück ja doch ausgeglichener ist, als es das Vorurteil erwarten lässt.
Dennoch nutze ich lieber meine Plattform hier, um meine fünf Cent zum Thema loszuwerden.

Der letzte Artikel, den ich gelesen habe, beschäftigte sich mit der Klassengröße und zitierte wieder einmal Bildungsexperten, die besagten, dass kleinere Klassen empirisch keinen Einfluss auf den Lernerfolg hätten.
Ich habe diese Studien schon früher gelesen und ganz ehrlich, ich kann mir das Ergebnis einfach nicht erklären. Ich habe das große Glück an meiner Schule bislang überwiegend kleine Lerngruppen gehabt zu haben, in der Oberstufe eigentlich immer nur um die 20. Keine Frage, das ist natürlich auch für die Korrekturen mehr als angenehm. Was weiterführend übrigens bedeutet, dass ich mehr Zeit für Unterrichtsvorbereitung habe. Auch Projektphasen gehen tatsächlich einfacher, zumindest, sobald ich diese Internet gestützt durchführe (was eigentlich immer der Fall ist, dass die Schüler Themen recherchieren und aufbereiten, ganz simpel zusammengefasst), da unsere zwei Computerräume einmal mit 15 und einmal mit 20 Computern ausgestattet sind. (Bei übrigens über 1000 Schülern insgesamt…)
In der Sek I kann ich jetzt das erste Mal so richtig vergleichen. Vor zwei Jahren habe ich meine erste 5. Klasse übernommen mit damals 24 Schülern, die sich aus verschiedenen Gründen (Umzug, Schulformwechsel) recht bald auf 22 reduzierte. Gerade in der Phase, als wir noch einen normal großen Klassenraum hatten, war das toll. Ich habe die Schüler recht schnell kennengelernt, ihre Stärken und Schwächen beobachten können und sie hatten auch im Wortsinn ausreichend Raum. (Leider mussten wir in der 6. Klasse dann in einen Raum umziehen, in dem selbst die 23 Kinder eigentlich kaum Platz hatten, sich umzudrehen…)
Nun habe ich eine 5. Klasse mit 32 Kindern. Der Geräuschpegel ist ein anderer, ich brauche länger, die einzelnen Kinder einzuschätzen und kennenzulernen. Und gerade Gruppenarbeit ist mit denen richtig, richtig schwierig, weil es einfach unerträglich laut wird (ob das jetzt daran liegt, dass in der Klasse 20 Jungen sind, sei mal dahin gestellt – wobei ein Mädelstrupp auch gut laut sein kann… – wir arbeiten daran, aber es kostet echt Nerven…).

Was ich allerdings auch beobachtet habe: Möglicherweise gibt eine größere Klasse den einzelnen Kindern mehr Raum, ihre eigene Nische bzw. ihren Platz in der Klasse zu finden. Das ist bis dato nur Spekulation meinerseits. Ich habe nämlich spannenderweise bis jetzt weniger Konflikte in der Klasse zu klären als in der alten. Das kann an der Klassengröße liegen, dass Konfliktpartner sich leichter aus dem Weg gehen können? Es kann aber auch sein, dass ich Konflikte anders steuere und aufnehme als vor zwei Jahren, da ich ja nun mal auch einiges dazu gelernt habe (zum Glück). Vielleicht sind es aber auch einfach die anderen Schüler, die in dieser Klasse sind, vielleicht sind da nicht ganz so die Extreme vertreten, wie in der letzten Gruppe. Wahrscheinlich ist es alles davon – oder etwas ganz anderes.

Das ändert jedoch nichts daran, dass ich persönlich kleinere Lerngruppen bevorzuge, weil es angenehmeres Arbeiten und mehr Zeit für den einzelnen Schüler bedeutet.

Ein anderer interessanter Aspekt wurde übrigens in einem Kommentar angesprochen: Schallschutz in den Klassen, sprich vermutlich andere Wände und Böden. DAS fände ich mal richtig großartig! Nicht nur für mich. Ich habe mal die 10 Minuten Pause komplett im Klassenraum der 5 verbracht (auf dem Flur sind übrigens ausschließlich Fünfer und Sechser). Ganz ehrlich, der Lärmpegel war nicht mehr feierlich. Das kann auch für die Schüler nur Stress sein.
Gut, schallgedämpfte Klassenräume werden auch den Lärm von über hundert Kindern, die durch Flure toben, nicht auffangen können. Aber es wäre doch ein Anfang.
Wenn ich an den Unterricht letztes Jahr in der 7. Klasse denke: 33 Schüler, davon 24 motorisch höchst unruhige Jungs (Großteil dank Pubertät und anderer Faktoren gerade höchst uninteressiert an Schule und mit echt schwierigem, weil rücksichtslosem, Sozialverhalten nach dem Motto ’nach mir die Sintflut‘) in einem eigentlich etwas zu kleinem Klassenraum in dem zur großen Freude aller Beteiligten aus irgendeinem Grund die Lüftung lief, die einfach einen Heidenkrach veranstaltete. Selbst wenn alle Schüler ruhig waren; es musste nur einer einen Stift aus seinem Mäppchen (!) hervorkramen, mehr nicht (!), schon verstand man den Schüler mit der leisen Stimme dank der Lüftung nicht mehr. Ich empfand das als extrem stressig.
Gut, da wird Schalldämpfung auch nichts ausrichten.
Aber besser geplante, renovierte, sanierte Schulgebäude wären extrem wichtig, finde ich. Damit man sich da auch wohlfühlen kann, vor allem auch die Schüler.

Ein anderer Aspekt, der in einem Kommentar angesprochen wurde, war der der Bezahlung nach Leistung. Prinzipiell ein guter Gedanke – zumindest wenn man zu den Engagierten gehört und sich über die Dienst nach Vorschrift (oder weniger) Kollegen ärgert.
Schwierig finde ich die Definition von Leistung. Geht es dann wirklich nur um die Schulnoten?*
Was ist mit den anderen Faktoren, die Schule ebenfalls vermitteln soll, also z.B. Erziehen? Inwieweit werden unterschiedliche Voraussetzungen in Klassen und Umfeld berücksichtigt? Es macht einen immensen Unterschied, ob ich an einem Gymnasium in, sagen wir mal, Coesfeld, oder an einem Gymnasium in Essen Vogelsang unterrichte. Und da ist es je nach Klasse ebenfalls höchst unterschiedlich. Teilweise müssen die Voraussetzungen für Unterricht überhaupt erst geschaffen werden.
In Großbritannien z.B. wird Ähnliches ja gemacht – also Bezahlung nach Durschnittsnote in Vergleichstest -, ich höre davon aber meistens eher Schlechtes. Dass es dann eher um ‚teaching to the test‘ geht und bestimmte Faktoren und Kompetenzen dann einfach hinten über fallen. Ich weiß das aber nur vom Hörensagen, muss ich einschränkend dazu sagen.

Und was ist mit außerunterrichtlichem Engagement, von dem Schule ja auch lebt? Was ist mit AGs, Klassenfahrten, Sportspiele-Tagen, Schulkonzerten etc? Wie misst man da die Leistung? Was ist da „mehr wert“? Zählt das Schulkonzert mehr als die Jugend forscht AG? Oder umgekehrt?

Natürlich klappt das in der Freien Wirtschaft ja auch, also tendenziell eine Bezahlung nach Leistung, soweit ich weiß (teilweise natürlich auch nach der Leistung, wie gut man sich in Gehaltsverhandlungen schlägt).
Aber ich frage mich, ob da der Begriff dessen, was genau nun Leistung ist, nicht besser definierbar ist? Ob das nicht per se schwieriger ist, sobald man mit Menschen arbeitet? Ich könnte mir das z.B. bei Ärzten auch schwerer vorstellen. Hat der Arzt die besseren Leistungen erbracht, bei dem weniger Patienten sterben? Wie erhebt man da die Ausgangslage, um das auch fair zu gestalten?

Ich bin der Idee gegenüber nicht abgeneigt, aber für mich ist der Kern der Frage, wie man Leistung in der Schule definiert und wie unterschiedliche Voraussetzungen ausgeglichen werden können, so dass vergleichbare Ausgangslagen geschaffen und jedem Lehrer auch die gleiche Chance auf gleiches Gehalt gegeben werden kann? Und was machen wir mit den unterschiedlichen Schulformen, deren Ansprüche sich teilweise massiv unterscheiden?
Wobei es in einem solchen System hoffentlich endlich so weit wäre, dass Lehrer anderer Schulformen nicht automatisch weniger Gehalt bekommen als Gymnasiallehrer, oder Angestellte weniger als Beamte für die gleiche Arbeit.

Der Traum eines anderen Schulsystems geht weiter…

Aber erst mal muss ich dem momentanen gerecht werden und Klausuren und Facharbeiten korrigieren.
Dann kann ich weiter über Schulaussteiger und die Sudbury-Schulen lesen und schauen, wohin mich das in meinem Lehrerleben noch so bringen wird.
(Vermultich sollte ich dann auch mal die Hattie-Studie als Gegenpol lesen…)

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*Ja, mir ist klar, dass Schüler auch primär nach ihren Schulnoten beurteilt und verschiedenen Schulformen und Abschlüssen, Studiengängen etc zugewiesen werden. Das heißt aber nicht, dass ich das gut finde. Und wir sind ja gerade beim Phantasieren über Änderungen zum Positive für das System Schule.

Es arbeitet in mir…

Ich denke, das fasst gerade halbwegs zusammen, was in mir vorgeht (u.a. beeinflusst von Lektüren und Videos über demokratische Schulen… – sorry, dass es auf Englisch ist, war an eine kanadische Freundin adressiert…)

You know, when you continually read stuff like „powerfullest“ and sentences without subjects or essays that have no structure at all… I actually don’t know what that does to me… it annoys me, it makes it really, really hard to keep up the energy I need to mark for several hours in a row to be able to finish on time.

But it also really makes me question what I am doing, what I could and would love to do differently… for some of it I would need a completely new school system, one, in which I don’t have to force every child through the same contents in the same time, because clearly, they are not always ready for the same content or learning experience at the same time! Learning doesn’t work like that.

If only I knew how to integrate that into the existing school system…

Yes, I would need to individualise much more. But I don’t know when to prepare that with all the other stuff I have to do (and at least the semblance of some sort of private life) – and what to do with the class tests and marks I have to give…

In a very critical mood of our school system these days…
And very unsatisfied with my role in it…
And so far I don’t see a way out…

(Other than leaving school which I don’t want to do for numerous reasons: I love the kids and my classes, I love my day to day work – leaving marking aside – and yes, I also need the security, after all I have to support myself…)

Sitzenbleiben, die zweite

Nachdem ich gerade diesen Artikel lese, möchte ich noch einmal zwei, drei Gedanken zum Sitzenbleiben loswerden.

Aus allen Artikeln, die ich bis jetzt dazu gelesen habe, gewinne ich den Eindruck, dass Sitzenbleiben ohne Änderung des Systems abgeschafft werden soll. Und das halte ich für Unfug.
Es entsteht zumindest bei mir der Eindruck, dass es primär die „bösen Lehrer“ sind, die Schüler einfach „abschieben“ und „hängen lassen“. Es wird viel von individueller Förderung geredet (nebenbei bemerkt verdienen auch die leistungsstarken Schüler Förderung, die gehen nur leider immer unter), die ich sehr, sehr gerne leisten möchte und um die ich mich unter den Rahmenbedingungen, die ich habe, auch bemühe.
Die Rahmenbedingungen heißen:
– 4 Korrekturgruppen (davon zwei mal Leistungskurs – und für meine Fächerkombination ist das wenig, aber das war ja meine eigene Schuld – eine LK Klausur dauert übrigens im Schnitt 45 Minuten, viele dauern länger, manche – gute – gehen schneller, bei jeweils – zum Glück nur – 20 Schülern kann man ausrechnen, wie lange das dauert. Und bitte drüber nachdenken, wie lange man so etwas wohl am Stück schaffen kann)
– zwei 5. Klassen mit jeweils 32 Schülerinnen und Schülern, einmal mit 4 Wochenstunden (beim Doppelstundenmodell sehe ich die also zwei mal die Woche, einmal immerhin mit 8 Wochenstunden, dank bilingualem Zweig und damit mehr Englischstunden)
– Klassenleiteraufgaben (d.h. Erziehungsaufgaben, dutzende unterschiedlicher Listen, Orgakram noch und nöcher, Elternarbeit, Ausflüge organisieren etc – nebenbei bemerkt auch noch die Kursfahrt für den Leistungskurs organisieren, inkl. hinter Geldern und Unterschriften herrennen)
– außerunterrichtliches Engagement wie Arbeitsgemeinschaften (in meinem Fall Model United Nations, d.h. Vorbereitung in wöchentlichen AG Stunden und Organisation der Veranstaltungen, die immer am Wochenende stattfinden)
– Konferenzen
– Arbeitsgruppen um z.B. das interne Curriculum an das Konzept der Europaschule anzupassen, um die individuelle Förderung an der Schule voranzubringen oder um sich auf Inklusion vorzubereiten
– Kursfahrten und Ausflüge planen und begleiten
– Fortbildungen

Und mit Sicherheit habe ich jetzt einiges vergessen.
Das Ehepaar, das meinen Hund vormittags betreut, hat seitdem auch einen neuen Einblick vom Lehreralltag gewonnen. Die haben tatsächlich nicht schlecht gestaunt, wie viel da drum herum doch an Terminen ansteht (und viele kommen eher kurzfristig dazu…*grmpf*)

Bevor man mich missversteht: Ich liebe meinen Job. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Lehrer viel mehr arbeiten, als andere Berufsgruppen (allerdings auch nicht unbedingt weniger).
Es geht mir hier nicht ums Jammern. Ich wollte einen Teil der Aufgaben zeigen, die ich neben dem Unterricht, der eigentlich meine Hauptaufgabe sein sollte, noch anstehen. (Und dabei fällt mir auf, dass Unterrichtsvorbereitung in der Liste oben fehlt…)

Bei 32 Kindern pro Klasse brauche ich verdammt lange, bis ich wirklich individuelle Stärken und Schwächen erkennen kann. Vielleicht gelingt das einem sehr erfahrenen Lehrer, der den Job länger macht als ich, schneller. Ich brauche dafür verdammt lange. Und auch dann habe ich nur einen kleinen Eindruck.
Und um dann einen entsprechend individualisierten Unterricht vorzubereiten, benötige ich so etwa zwei Stunden pro 45 Minuten Unterricht (wie gesagt, erfahrenen Lehrern gelingt das vielleicht schneller). Hin und wieder tue ich das auch für einzelne Stunden bzw. Reihen.
Bei gerade drei Klassen- bzw. Klausursätzen, die hier rumliegen, der Reihenplanung für den Englisch LK zum Thema Indien, der Vorbereitung eines Ausflugs ins Theater mit der 5. Klasse, der Arbeit in den Arbeitsgruppen zum Anpassen an das Europacurriculum und Einlesen in Rahmenbedingungen der Inklusion und den zwei, drei Dingen in meinem Privatleben, das ich auch noch gerne hätte und auch brauche, um ausgeglichen vor der Klasse zu stehen… ich weiß nicht, woher ich das nehmen soll.

Ich bin kein Verfechter des Sitzenbleibens per se, sondern sehe den Effekt dessen sehr kritisch und vom individuellen Fall abhängig. Mein Hauptproblem sehe ich bei der Diskussion woanders, nämlich darin, was Klaus Hurrelmann laut oben genannten Artikels gesagt hat:
„Wenn man nichts an den Strukturen ändert, dann ist die Abschaffung nur bürokratischer Zwang.“

Und genau so wirkt die Diskussion auf mich.
Sitzenbleiben wird abgeschafft. Der Fokus soll auf individuelle Förderung liegen. Aber bitte ohne, dass wie etwas an den Strukturen ändern. Ohne, dass wir etwas am Lehrer-Schüler-Schlüssel ändern. Denn Studien haben ja bewiesen, dass die Größe der Lerngruppe keinen Unterschied auf das Ergebnis macht.
Komisch nur, dass ich die 22 Kinder meiner letzten Klasse schneller und besser kennengelernt habe, als die 32 Kinder jetzt…

Schulpolitik – Sitzenbleiben und Inklusion

Wieder einmal ein Versuch, das Blog zu beleben. Aber in letzter Zeit werden so viele interessante Dinge diskutiert, natürlich auch in Blogs, die ich lese, und zu denen ich irgendwie meine Gedanken sortieren möchte.

Da wäre natürlich zum einen das Thema „Sitzenbleiben“.
Zwei Kollegen führen da gerade eine sehr interessante Diskussion zu:
Die Grundschul-/Hauptschullehrerperspektive
Musik in der Schule
und der Kollege vom Gymnasium:
Dorok

Aus meiner Sicht (arbeite an einem eher kleinstädtischen Gymnasium, mit ein wenig Erfahrung an einer Gesamtschule mitten im Ruhrgebiet) erscheint der erste Artikel natürlich schon ein wenig wie harter Tobak. Zumal ich mich immer noch frage, wie viel da systemimmanent ist, an dem auch wir Gymnasiallehrer wenig ändern können? Aber auch, wie viel können wir vielleicht doch ändern?

Wobei ich auch der Meinung bin, dass Sitzenbleiben gar nicht so oft vorkommt und es diesen oft beschworenen Fall, dass es den „Mathe-Versager“, wegen einem Fach hängen bleibt, ja so gar nicht gibt, da es ja eben Ausfälle in mehreren Fächern geben muss.
Genau so bin ich mir aber auch nicht sicher, ob das Wiederholen wirklich etwas bringt.
Manchmal gibt es Kinder, die sich im Klassenverbund nicht wohl fühlen, die aus verschiedenen Gründen einfach ein Jahr mehr Zeit brauchen (sei es „persönliche Reife“, familiäre Probleme, Pubertätsaussetzer…). Manchmal weiß man aber auch, dass es dem Kind einfach nicht gut tun wird, zu wiederholen, dass der Knacks zu groß wird.
Aber auch das Gymnasium kennt und nutzt die pädagogische Versetzung.
Und auch die Gymnasien haben Förderkurse. Wobei die bei uns in der Mittelstufe es echt schwer haben. Die meisten Schüler sehen es nur als Strafe und haben keine Lust darauf. Und ehrlich gesagt, haben es die meisten Lehrer auch nicht. Missmutige Achtklässler am Nachmittag durch den Stoff zu ‚prügeln‘, den sie eh schon nicht mögen, ist alles andere als einfach.
Alle Versuche, das Konzept zu überarbeiten, sind bislang gescheitert.
(Ein neuer Ansatz an unserer Schule wird übrigens die Portfolio-Arbeit sein, fängt allerdings mit der Klasse 5 an – die sind ja eigentlich noch mehr oder weniger für alles zu begeistern, selbst zum Förderunterricht gehen viele noch freiwillig… – mal schauen, was das Konzept bringen wird).

Für mich läuft es aber immer wieder auf eine Sache hinaus: Ich wünsche mir mehr Zeit.
Und daran hängt auch der Punkt, den ich oben als „systemimmanent“ bezeichnet habe. Grundschule und Grundschullehrer haben oft (nicht immer) mehr Zeit in ihrer Klasse, mit den Kindern. Sie unterrichten deutlich weniger Kinder, da sie häufig überwiegend in einer Klasse eingesetzt werden (ich weiß, dass es da Unterschiede gibt, je nach Fach und wahrscheinlich auch Größe der Schule) und können dadurch ihre Zeit auch viel flexibler handhaben. Aber bei uns sind viele Stunden in einer Klasse die Ausnahme, nicht die Regel. Aufgrund unseres bilingualen Zweiges bin ich in der glücklichen Lage, meistens mindestens 8 Stunden Unterricht in meiner 5. Klasse zu haben. Gibt man mir noch Politik (fachfremd) hinzu, sind es 10. Der Normalfall sind aber eher so 5 oder vielleicht auch 6 Wochenstunden.
Je nach Fachkombination unterrichtet man zwischen 110 und mehreren hundert Schülern. Teilweise sieht man sie nur einmal die Woche.
Da kann ich sie überhaupt nicht so gut kennenlernen, wie es oben im ersten Blogeintrag gewünscht (bzw. vorgeworfen) wird. Ich gebe mir alle Mühe – bei momentan 32 Kindern in meiner Klasse, 32 in der Parallelfünf und zwei Leistungskursen in der Oberstufe (und damit habe ich Glück und sehr wenige Kurse) finde ich das alles andere als einfach.
Und auch alles andere als befriedigend.

Ähnliches gilt für die Unterrichtssituation insgesamt. Ich würde gerne deutlich mehr differenzieren, individualisierter arbeiten, die Schüler nicht alles im Gleichschritt machen lassen.
Denn natürlich ist das Lerntempo unterschiedlich, je nach Schüler, je nach Fach und auch je nach Thema. Und ich versuche es, soweit, wie ich es im Rahmen meiner – immerhin – 7 Unterrichtsstunden in Englisch und 5 Unterrichtsstunden in Deutsch im 45 bzw. 90 Minuten Raster kann. Neben der Korrekturbelastung (momentan liegen hier zwei Sätze LK Klausuren – für eine brauche ich im Schnitt 45 Minuten und das ist recht schnell – und einer Englischarbeit Klasse 5) und Erziehungsarbeit. Die ich selbstredend auch leiste! Und zwar nicht zu knapp.
Ich weiß schlicht und ergreifend nicht wie ich differenzieren soll.
Ich bastel immer mal wieder Wochenpläne zusammen. Ich gebe zusätzliches Futter für meine leistungsstärkeren Kinder rein (zumindest in Englisch – ich unterrichte das erste Mal Deutsch in der 5, da wusel ich mich selber noch durch).
Meine Zeit hat aber auch Grenzen.
Zumal ich auch gerne weiter Klavier lernen und mich ausreichend um meinen Hund kümmern können möchte.

Das sind so Momente, wo ich mir ein oder zwei Tage komplett nur in meiner Klasse wünschen würde, in denen ich die Lernzeiten vielleicht individueller gestalten könnte. (Wobei das natürlich nichts an der Situation der mangelnden Zeit für Unterrichtsvorbereitung ändern würde.)

Aber bevor ich zu träumen anfange (und ich habe definitiv Träume, wie ich mir das Schulsystem wünschen würde), gehe ich zunächst noch auf das andere, große schulpolitische Thema ein, das ins Haus steht: Inklusion.

Auch unser Gymnasium wird eine Inklusionsschule. Das wurde uns kurz nach den Weihnachtsferien eröffnet. Und nun sind wir verzweifelt auf der Suche nach Richtlinien, Beispielen und Umsetzungsmöglichkeiten. Ach, eigentlich noch viel mehr. So richtig wissen wir auch nach dem Treffen mit der Dezernentin nicht, was da auf uns zukommt.
Das einzige, das wir wissen, ist, dass eine kleine Handvoll Schüler mit dem Förderschwerpunkt Lernen an unsere Schule kommt. Also Schüler – so wie es uns erklärt wurde -, die nach dem Lehrplan der Hauptschule unterrichtet werden und die vermutlich maximal den Hauptschulabschluss nach Klasse 9 (allerdings erst nach 10 Schuljahren) erhalten werden.
Und, ganz ehrlich, den Sinn dahinter verstehe ich nicht. Zumindest nicht innerhalb eines differenzierten Schulsystems, das wir ja nun mal bislang haben.
(Der einzige Grund hierfür ist übrigens der, dass alle anderen Schulen mit integrativen Lerngruppen in unserem Ort, dicht sind.)

Ich finde die Idee einer wirklichen Gesamtschule gut. (Ok, ich hätte ein paar Änderungsvorschläge, die ich weiter unten anführen werde.) Aber momentan haben wir das einfach nicht.
Und so bekommen eine Handvoll Gymnasiallehrer, die nicht den leisesten Schimmer von Förderschule haben, auf einmal diese Schüler vorgesetzt. So wie ich das verstanden habe, habe ich dann Schüler, die Geschichten auf Englisch schreiben und sich das present progressive erarbeiten. Und Schüler, die einfachste Wort-Bild-Verbindungen herstellen.
Mir tun übrigens vor allem diese Handvoll Schüler leid, die auf einmal als Versuchskaninchen zu uns müssen. Ich verstehe und glaube durchaus, dass diese Schüler einerseits von dem Input, den sie durch die „Gymnasialkinder“ erhalten, profitieren werden. Sorgen macht mir allerdings der doch vermutlich extrem große Leistungsunterschied. Und vor allem unsere Elternklientel. Die Sorte Eltern, die vor allem darauf bedacht ist, dass ihr Kind das Abitur schafft. Die häufig wenig Verständnis zeigen, sobald sie meinen, dass ihr Kind irgendwelche Nachteile erleidet. Sprich, die sich sorgen, dass ihr Kind wegen der Inklusionskinder weniger lernen. Und dass diese mögliche negative Haltung sich dann auf die Kinder überträgt und es dann Essig ist mit den Vorteilen in Bezug auf soziale Fähigkeiten, die die Gymnasialkinder laut Forschung von der Inklusion hätten. Und versteht mich nicht falsch, wir haben eine ganze Reihe an Schülern, denen etwas mehr Empathie und Rücksichtnahme extrem gut täte!

Meine Gefühle bezüglich der Inklusion sind noch sehr gemischt. Vermutlich klang das bis jetzt eher negativ. Das ist es eigentlich nicht bzw. soll es nicht sein.
Es sind die Rahmenbedingungen, die mir Sorgen machen.
Wir werden eine Sonderpädagogin bzw. einen Sonderpädagogen zugewiesen bekommen. Nur wird der oder die ja nicht nur bei uns sein, sondern möglicherweise noch an zwei weiteren Schulen, sprich mit Sicherheit auch an der Grenze der Belastbarkeit sein.
Und ich mache mir Sorgen wegen der alteingesessenen Gymnasialkollegen (klar, haben wir die auch), die die Trennung der Schulsysteme strikt befürworten und das evtl gegenüber den Kindern durchschimmern lassen. In Kombination mit möglicherweise kritischen Eltern kann das zu einem sehr schwierigen Klima führen.

Vielleicht oder hoffentlich sage ich aber auch in einem Jahr, dass die meisten meiner Ängste unbegründet waren.
Denn dass ich in der Klasse sein werde, ist wohl recht wahrscheinlich, wenn ich zwischen den Zeilen des Schulleiters und des Erprobungsstufenleiters lese…

Denn im Prinzip fände ich ein wirklich inkludierendes System mit den entsprechenden Rahmenbedingungen gut.
Aber nicht nur einfach eine Gesamtschule. Sondern mehr.
Am liebsten wäre mir ein System, in dem Schüler quasi Kurse belegen können. Wer Mathe schnell versteht, könnte dann den Stoff der 5 und 6 in einem halben Jahr durchnehmen, gleichzeitig aber länger für Englisch brauchen. So in der Art jedenfalls. Eine Schwierigkeit sehe ich selber in der Frage, wie viel Klassengefühl Kinder wirklich brauchen. Tut es ihnen gut, einer Klasse anzugehören, so wie es bislang ist, oder könnten sie nicht auch in Kursen eine Heimat finden? Dazu würde auch räumlich eine ganz andere Schule gehören. Mit mehr kleineren, gemütlichen Räumen. Mit mehr Arbeits- aber auch Entspannungsmöglichkeiten (und einer Schülerschaft, die respektvoll mit ihrer Umgebung umgeht und Mülleiner auch wirklich nutzt…)
Richtig ausgegoren ist dieser Wunsch nicht.
Er wird ja eh nie wahr werden…

So muss ich also erst mal weiterhin als „versnobter“ Gymnasiallehrer abwarten, was da auf uns zukommt und unter ganz anderen Rahmenbedingungen als an der Grundschule trotzdem Ähnliches leisten.

Nein, ich kann die Ängste noch nicht abstellen.
Die Ängste, dass ich meinen eigenen Ansprüchen nun noch weniger gerecht werden kann als sowieso schon…

Ich lebe noch…

Wieder einmal eine unglaublich lange Phase ohne Blogeintrag. Ich habe lieber andere Blogs gelesen (und das Verschwinden einzelner, sehr gerne gelesener Blogs traurig zur Kenntnis genommen).

Natürlich ist inzwischen sehr viel passiert.
Die alten 13er sind weg, das Kurstreffen fand tatsächlich statt und fast alle waren da, obwohl sie keinen Unterricht mehr hatten und die Prüfungen eigentlich auch durch waren. Es war ein sehr lustiger Abend mit teilweise sehr guten und interessanten Gesprächen. Ich hoffe, es geht ihnen jetzt allem soweit gut und sie genießen den neuen Lebensabschnitt in vollen Zügen!

Mein (jetzt) Q2 LK bleibt weiterhin mein Lieblingskurs. Mit ihnen habe ich gerade das erste Mal ein komplettes Shakespeare Werk bearbeitet. Es gibt viel zu überarbeiten für mich, eine Menge muss das nächste Mal anders laufen (alleine, weil mein Q1 LK deutlich schwächer ist, sowohl in Bezug auf Leistungsfähigkeit als auch teilweise Leistungsbereitschaft…*sigh*). Aber sehr gespannt bin ich auf ihre Abschlusspräsentationen nächste Woche. Jede Gruppe hat sich jeweils einen Akt vorgenommen und sollte diesen aufbereiten. Einzige Vorgabe: Wenn sie Sprache einsetzen, müssen es Zitate aus dem Drama sein. Ich werde u.a. einen Stummfilm unterlegt mit Musik und Zitaten, einen kleinen Film, in dem Playmobilfiguren und Barbies die Hauptrolle spielen, und Fotostories bekommen. Ich bin gespannt. Und hoffe, dass da auch was bei rumgekommen ist. (Wobei ich auch sagen muss, dass ich sie da aufgrund des frühen Klausurtermins etwas durchgeprügelt habe und sie meiner Meinung nach jetzt auch einfach mal etwas Spaß mit Shakespeare haben sollen. Und um das Wesentliche darzustellen, müssen sie sowohl den Akt als auch das ganze Drama sehr gut kennen – zumindest, wenn sie es gut machen wollen.)

Meine heißgeliebte erste eigene Klasse habe ich abgegeben und dafür eine neue 5. Klasse bekommen, die dem erstem Anschein nach nicht weniger schwierig wird. Unter anderem deshalb, weil es 32 Kinder sind, davon 20 Jungen, was alleine schon für eine gewisse Grundunruhe sorgt. Dazu die übliche Diskrepanz bei gewohnten Umgangston und Respekt von Grenzen. Und einem Altersunterschied von bis zu drei Jahren (2 Kinder sind tatsächlich erst 8 Jahre alt, was man bei Konflikten zwischen den Kinder auch merkt – eine völlig neue Erfahrung für mich). Aber immerhin kann ich ein paar Lernerfahrungen, die ich mit meiner letzten Klasse gemacht habe, schon einmal umsetzen. Hoffentlich auch erfolgreich.
Meine alte Klasse fehlt mir trotzdem etwas. Besonders, nachdem ich letztens mit einem Teil von ihnen beim Mittagessen in unserer Mensa zusammensaß und sie mir erzählt haben, dass sie gerade wieder einmal eine kleine Aufführung planen. Ganz eigenverantwortlich. Ganz alleine. Sowas können sie halt.
(Sie haben das schon als Abschieds/Sommerfest gemacht: Ich habe lediglich den Rahmen gesetzt, alles andere haben sie alleine auf die Bühne – im Wortsinne – gebracht: Tanzvorführungen, Gesang, Klavier, Geige, Sketche und vieles mehr. Es war richtig gut. Und sie haben es alles alleine gemacht inkl. Programm, Einladungen und die anschließende Verpflegung – hier natürlich mit etwas Hilfe der Eltern.)
Ich bin mal gespannt, herauszufinden, wo die Stärken meiner neuen Klasse liegen. Bis dato sagen mir alle nur, dass es bei Weitem die undisziplinierteste Klasse des Jahrgangs wäre. Super. Danke auch.
Sehr schön waren auch die ersten zwei, drei Schulwochen, in denen ich Beschwerden sowohl zur neuen als auch zur alten Klasse zu Hören kriegte. So war das eigentlich nicht gedacht. Zumal ich da nun mal nicht in der alleinigen Verantwortung stehe. Das reflexartige schlechte Gewissen muss ich mir da noch abgewöhnen. Die wenigsten Kollegen meinen das ja als Vorwurf an mich.
Aber das sind wieder so Momente, wo ich mir ein vernünftiges Klassenleiterteam wünschen würde. Haben wir aber nicht. Auf der Konferenz angesprochen wurde gesagt, das sei angeblich vom Kollegium nicht gewünscht. Ah ja. Ist mir neu.
Also habe ich eine Stellvertreterin zugeordnet bekommen, deren pädagogisches Konzept und grundsätzliche Einstellung nicht gegensätzlicher sein könnte. Zumal sie ihre Aufgabe auch eindeutig nur als Stellvertreter (d.h. bei uns ist sie dann zuständig für ein oder zwei Listen) ansieht.

Wobei mich die Zuteilung der Kollegen da eh insgesamt etwas ärgert. Ich habe eine Klasse mit sehr großem Jungenanteil. Und genau zwei männliche Kollegen unterrichten da. Einer davon dauerkrank und – sagen wir mal – nicht der Engagierteste… Gerade für meine Jungs würde ich mir da mehr mögliche Rollenvorbilder wünschen. Die sind höchstwahrscheinlich schon durch vier Jahre Grundschule gegangen, wo ihnen vermutlich nur Lehrerinnen begegnet sind. Ein paar mehr Männer würde der Schule gut tun.
Aber gut, da müssen die Jungs dann jetzt irgendwie durch.
Und ich darf wieder meinen inneren Konflikt austragen bei dem Versuch, die Balance zu halten zwischen ’normalem Kräftemessen‘ zwischen Jungs und der sehr feinen Grenze, wo ich einschreiten muss. (Vielleicht täusche ich mich auch, aber manchmal glaube ich, dass Männern das leichter fällt zu sehen, wo diese Grenze wirklich liegt? – Und ja, ich weiß auch, dass nicht alle Jungen diese Kräfte messen brauchen oder gar mögen. Aber ein paar eben doch. Und die haben dafür sehr wenig Raum, finde ich.)

Mal schauen, wie lange ich brauche, um mich mit diesem Trupp richtig verbunden zu fühlen.
Und auch sonst bin ich gespannt, wie sich dieses Schuljahr entwickelt.
Lustigerweise unterrichte ich nämlich nur 5er (10 Stunden in meiner Klasse, 4 in einer Parallelklasse) und dann wieder Qualifikationsphase, je ein LK in der Q1 bzw. Q2. Und auch da brauche ich scheinbar länger, um mit der Q1 wirklich warm zu werden.

Ansonsten bin ich unfassbar viel unterwegs dieses Halbjahr: mehrfach für Model United Nations (diverse Wochenenden in Mönchengladbach, Kerkrade und Paris), Kursfahrt in Wien (war sehr schön und entspannt), Fortbildung für unsere Skifreizeit (4 1/2 Tage mit Kollegen auf dem Gletscher, wird bestimmt nett) und dann die Skifreizeit selber.
Und daneben halt irgendwie unterrichten, erziehen, organisieren und verwalten.
Ach ja, und pädagogisch wertvolle Ausflüge/Veranstaltungen für die Klasse planen.
Und diverse Zusatzveranstaltungen wie Informationsabende, Elterstammtisch (ja, ich wurde sehr ausdrücklich eingeladen, der Termin wurde sogar extra verschoben…), Weihnachtsbasar, Revision (Freude…) und und und…
Privatleben, was ist das?

In diesem Sinne: Auf in eines der anstrengendsten Schulquartale!

Was lange währt…

…wird nicht automatisch gut. Oder vielmehr: war einfach nicht gut.
Drei Monate lang habe ich nichts geschrieben, nicht, weil nichts passiert ist, sondern eher, weil so viel passiert ist – und ich dazu gefühlt ständig krank war. Und mich krank in die Schule geschleppt habe. Mit dem Ergebnis, dass ich noch länger krank war. Ein klassischer Fall von theoretischem Wissen und praktischer Ausführung. Und dem Gefühl, dass man dann doch mal unersetzlich ist.
Denn die 13er machen Abi und wir haben nicht alles wirklich geschafft.
Denn in meiner 6. Klasse wird der Außenseiter entweder zum Mobbinopfer oder ist ein extrem hintenrum agierender Intrigant (und ich habe Aussagen von eigentlich zuverlässigen, neutralen Schüler, die beide Sichtweisen bestätigen).
Denn mein Staatsfeind Nr. 1 Hauptstörenfried Oberchaot wechselt von der offenen Revolte in den Untergrund, was die Sache erschweren könnte, wenn er dabei nicht so dusselig vorgehen würde. Inklusive mir dreist ins Gesicht lügen. Was mich tatsächlich sehr getroffen hat, denn ich stecke seit anderthalb Jahren unglaublich viel Energie in dieses Kind, dass unglaublich tolle Seiten und Potential hat. Dem ich immer wieder versucht habe zu zeigen, dass er dieses Potential hat. Dass er nur sein Verhalten ändern muss. Vom dem ich wusste, dass er genau die handbreit zugibt, die ich ihm nachweisen kann. Von dem ich nicht wusste, dass er ein unglaublicher Schauspieler ist, der mir die elaboriertesten Lügengeschichte auftischt. Aber nun steht er leider auf der persönlichen Abschussliste unseres Direktors – eine Ehre, die er sich mühevoll erarbeitet hat. Und ich muss mich daran erinnern, dass die übrigen Kinder in der Klasse ebenso ein Anrecht auf meine Aufmerksamkeit, auf Unterricht, auf Lernen, auf einen Schultag ohne beleidigt, angerempelt, Sachen zerstört zu bekommen… haben und es nicht mein einziger Job ist, diesen Schüler zu „retten“. So gerne ich das würde. Denn er ist auch eine „arme Socke“, bei dem in der Familie ne Menge im Argen liegt. Nur leider ist er damit nicht der Einzige in der Klasse. Bei weitem nicht.
So habe ich kurz vor den Ferien z.B. endlich mal weitere Teile der Hintergrundgeschichte eines anderen Jungen erfahren (dessen übrigens gerade seit Wochen im Ausland weilt, während die Kinder – 11, 6 und 3 – von einer befreundeten Familie zur anderen geschoben werden), der seit Jahren keinen Kontakt mehr zu seinem Vater hat. Was ihm richtig weh tut. Ich hätte den Kleinen echt am liebsten nur in den Arm genommen. Ok, an anderen Tagen möchte ich ihn aus dem Fenster schmeißen, weil er unglaublich zickig, bockig, uneinsichtig und unfair sein kann. Mögen tu ich ihn trotzdem. Und ich glaube, das weiß er auch. Deswegen ist er mir gegenüber vermutlich oft auch besonders kritisch.
Und das sind nur ein paar Geschichten, es gibt diverse Rosenkriegsgeschichten, Eltern, die ihre Kinder gegeneinander ausspielen, Eltern, die ihre Kinder mit Geld abspeisen, aber null Aufmerksamkeit geben (das Kind muss funktionieren), Familien, in denen ein Elternteil schwer bis tödlich erkrankt sind usw. usf.
Und dazu schon der leichte Abschiedsschmerz und die Sorgen der „Klassenmutti“, die ihre 6er am Ende des Schuljahrs in fremde Hände geben muss, wo ich sie doch langsam richtig gut kenne. Wo ich so viel Arbeit in die Klasse gesteckt habe, in meinen „Chaostrupp“, mit denen man inzwischen richtig toll arbeiten kann (insbesondere alles, wo sie Verantwortung übernehmen muss, Referate usw). Ich soll „meine Kinder“ an irgendeinen anderen abgeben? Was, wenn das einer ist, der keine Lust auf pädagogische Arbeit hat? Dann gehen sie mir doch vor die Hunde…mein Chaostrupp…

All das ballte sich in den letzten Wochen so dermaßen zusammen, dass ich daran echt zu knabbern hatte (und wer weiß, was evtl noch alles passiert, von dem wir nichts wissen und die Kinder drunter leiden). Und ich arbeite an einem Gymnasium mit eigentlich ziemlich gutem Einzugsgebiet, wie es so schön heißt.
Da fragt man sich schon an manchen Stellen, warum die Erwachsenen nicht einfach mal wirklich erwachsen sein und sich zum Wohle ihrer Kinder zusammenreißen können.

Und es lässt mich immer wieder dankbar sein für das wohlbehütete und normale Elternhaus, in dem ich groß werden durfte.

Natürlich sind auch schöne Dinge passiert:
– Die Skifreizeit der 9er, die wunderbar entspannt verlief.
– Die 13er, die nach dem Abi auf jeden Fall noch einmal ein Kurstreffen veranstalten wollen.
– Die Eltern, die ihr Bedauern ausdrückten, dass ich die Klasse abgeben werde.
– Unzählige lustige und schöne Momente im Unterricht mit jeder Klasse (sogar in der 7 – wenngleich da auch leider unglaublich wenige, die sind gerade vor allem anstrengend…)
– Mein Englisch LK – ich liebe ihn einfach, man kann da so viel ausprobieren und es klappt immer fast immer oft.

Und immerhin versuche ich mir gerade wieder so etwas wie ein Privatleben aufzubauen mit regelmäßigem Schwimmen (ok, die letzten vier Wochen nicht, weil ich ja meine Erkältung verschleppt und verschlimmert habe) und Reitunterricht (das Joggen-Experiment ist kläglich gescheitert). Im Moment geht das ganz gut – ich unterrichte gerade aber auch nur 20 Stunden, weil ich Überstunden abfeiern darf (und wenn die 13er weg sind, sind es sogar nur noch 17 =) ). Korrigieren geht trotzdem nicht schneller wegen Krankheit und sozialer Dramen in meiner 6. Klasse.

So ist also der Stand der Dinge nach nunmehr über zwei Jahren im Vollzeitjob (5 Jahren inkl. Ref), anderthalb Jahren erste Klassenleitung.
Sind ja nur noch ca. 32 Jahre…

Bestandsaufnahme 2011

Das Jahr ist nun beinahe um, also versuche ich mal zuasmmenzufassen, wie dieses Jahr so gelaufen ist.

Schule:
Bin nun fast zwei Jahre an meiner jetzigen Schule und fühle mich immer noch insgesamt sehr wohl – vor allem das Kollegium ist toll, die Schüler und Eltern überwiegend auch. Und meiner Dienstbeurteilung nach zu urteilen, sind wohl alle ganz zufrieden mit mir. Ich selber mehr oder weniger. Mache immer noch unglaublich viele Fehler, insbesondere den Klassiker viel zu viel zu meckern, statt einfach ruhig Konsequenzen auszusprechen. Ich tröste mich ein wenig damit, dass vor allem ältere Kollegen mir sagen, dass meine Klasse echt schwierig ist. Einzeln alles total nette und tolle Kinder. In der Gruppe oft doch sehr anstrengend. (Leider gilt das für alle meine Sek I Klassen und oft auch den 13er Kurs – wobei dieser Eindruck vielleicht auch von dem allgemeinen Stress der letzten Monate getrübt ist, vielleicht wird das in neuem Jahr, wenn ich – hoffentlich – auch wieder etwas weniger Stress und nicht 27 extra Termine habe, besser.) Denn unglaublich viel hängt ab mir und wie fit ich bin.

Ziel für 2012: An Gelassenheit arbeiten und daran, eigenen Stress besser abzuschalten, um im Unterricht nicht so genervt zu reagieren. Und weiter so mit dem LK zu arbeiten, denn das läuft gut und da experimentiere ich endlich wieder mal und so macht das dann auch richtig Spaß!

Privat
Wäre schön, wenn ich davon mehr hätte, also Privatleben. Blöderweise liegt das ja nun mal vor allem an mir. Ich bin diejenige, die sich Auszeiten nehmen muss. Und vor allem Ausgleich schaffen. Sport ist nach etwa 8 Wochen Schule hinten über gefallen, weil ich einfach nur müde war. Und korrigieren musste.und Elternbriefe schreiben musste. Und mich um diverse Schülerprobleme kümmern musste. Und Unterricht vorbereiten wäre auch mal schön.
Gut geklappt hat das mit der Musik. Die Auszeiten habe ich mir – bis auf ganz seltene Ausnahmen – genommen und das Ergebnis hat sich gelohnt. Hoffentlich haben wir nächstes Jahr mehr Konzerte.

Ziel für 2012: Weiter Musik machen. Wenn die Finanzen sich irgendwann erholt haben, Unterricht nehmen ud entweder Gitarre lernen oder meine Klavierkenntnisse wieder auffrischen. Wieder regelmäßig Sport machen, auch wenn ich müde bin, auch wenn ich dich eigentlich noch dies oder jenes tun müsste. Es gibt keinen außer mir, der mir diese Auszeiten verschaffen kann. Und auch wieder öfter mit Freunden treffen, das kam zu kurz.

Highlights 2011:
– Skifahren im Januar
– Kurzurlaub an der Nordsee, um dem Karneval zu entkommen
– Umzug in eine tolle Wohnung
– alle Termine mit MUN, insbesondere natürlich Paris
– die zwei Konzerte (auch wenn abgesehen von meinen Eltern keiner „meiner“ Leute da war, haben sie halt was verpasst – aber schade war das schon…)

Die schönen Seiten

Gestern gab es bei uns den alljährlichen Weihnachtsbasar, für den die verschiedenen Klassen wochenlang (zumindest gefühlt) planen und basteln oder backen oder nähen usw (oder zumindest die Mütter, je nach Aufgabe und Jahrgang).
Letztes Jahr sägten die Kinder meiner damals 5. Klasse hingebungsvoll Tannenbäume aus Holz und bemalten und dekorierten sie liebevoll und mehr oder weniger erfolgreich. Auch wenn die Geduld und Ausdauer nach einem Baum meistens erschöpft war, war es ein wunderschöner Nachmittag. Dieses Jahr wurden tolle Schlüsselanhänger-Tiere genäht und dekoriert – mit (sorry) besserem Ergebnis, zumindest imho.
Manche Kollegen erklären mich ja für verrückt, dass ich diese Nachmittage immer begleite und betreue, denn eigentlich ist das bei uns eine Aktion der Elternschaft.
Aber dann würde mir entgehen, wie mein absoluter Oberchaot, der oft manchmal je nach Tagesform nicht weiß, wann Schluss und sich durch ein, sagen wir mal, verbesserungswürdiges Sozialverhalten auszeichnet, stundenlang konzentriert da sitzt und sägt, bemalt, näht, dekoriert. Wie er beim Basar selbst mit Feuereifer dabei ist, Leute an den Stand lockt, Ideen entwickelt, wie man das Angebot verbessern könnte usw. Und das Gleiche gilt für viele andere Schüler.
Ich würde es verpassen, wieder eine andere Seite an ihnen kennenzulernen, die wichtig ist, um sie als ganzheitliche Menschen wahrzunehmen und nicht nur als den Schüler in meinem Fach (das ihm vielleicht einfach nicht liegt oder der mit dem System Schule an sich einfach Schwierigkeitn hat oder einfach so viel Stress/Probleme zu Hause hat, dass für Schule keine Energie bzw. Kraft mehr vorhanden ist und er gar nicht weiß, wohin mit sich und seinem Frust und seiner Trauer und Angst).
Und das hilft mir, mit diesem Schüler umzugehen, ihm/ihr glaubhaft zu vermitteln: ich sehe dich. (Oder wenigstens: Ich bemühe mich, Dich zu sehen.) Und wenn ich dir „Strafen“ aufbrumme, gent es um das Verhalten, nicht um den Menschen.
Das ist mir in meinem Leben und auch in meiner Lehrerrolle wichtig: zu sehen und zu zeigen, dass ich den ganzen Schüler zu sehen versuche. Und dass ich sie mag. (Auch wenn mir klar ist, dass ich vermutlich auch mal an einen Schüler geraten werde, wo mir das einfach nicht gelingen wird.)
Deshalb sind diese Tage so wichtig in Schule.
So stressig es auch ist, so viel Zeit das auch auffrisst.
Aber es kann so manche Beziehung entlasten, weil ich mal wieder eine andere (positive) Seite sehen kann.

In diesem Sinne: eine schöne letzte Schulwoche!