Blogparade #1: Mein (schulisches) Motto für 2024

Da ich ja durchaus den textbasierten Austausch mag – auch wenn ich meine social media Heimat im instalehrerzimmer gefunden habe und nie bei Twitter (der Tonfall war einfach nicht meins) – und die von (unter anderem) Herr Mess vorgeschlagene Blogparade viele interessante Themenvorschlägen bereit hält, dachte ich, reaktiviere ich doch auch mal meinen Blog. Der letzte Beitrag erschien 2013…. mal gucken, ob das hier nachhaltiger wird, denn eigentlich lebe ich vom direkten Austausch, den Diskussionen in den Kommentaren oder direkten Nachrichten (deswegen waren für mich an der Uni bspw. Seminare auch deutlich besser als Vorlesungen, bei letzteren hatte ich echt extreme Schwierigkeiten, dran zu bleiben…).

Langer Vorrede, kurzer Sinn: Das erste Thema – mein (schulisches) Motto – spricht mich an, weil bei mir ein Wandel gerade eh Thema ist (auch wenn ich sonst überhaupt kein Fan von Vorsätzen, Zielsetzungen, Motto etc. bin und lieber dem Bauch nach agiere).

Mein Plan ist es, die ersten Schritte in Richtung selbstreguliertes und offeneres (und dadurch individualisiertes) Lernen weiterzugehen.

Das Schuljahr 2022/23 war eines, in dem ich an oder gar über meine Grenze gegangen bin (lag sicherlich auch mit daran, dass ich nach meiner Corona-Erkrankung im Oktober ’22 einfach monatelang nicht mehr richtig auf die Beine kam, bis im Mai ’23 die Notbremse gezogen werden musste). Ich habe lieb gewonnene Aufgaben wie die SV, die ich seit 2015 kontinuierlich begleitet habe, abgegeben und mich ganz darauf konzentriert, was für Unterricht möchte ich eigentlich machen? Welche Kompetenzen und Fähigkeiten möchte ich meinen Schüler*innen eigentlich vermitteln. Das klingt jetzt in der Rückschau deutlich geplanter und durchdachter, als es tatsächlich war.

Der Prozess verlief eher so, dass ich auf instagram viele interessante Ideen gesehen hatte, die mein Unwohlsein bezüglich des normalen Gleichschritts (alle lernen das gleiche zu gleichen Zeit im gleichen Zeitraum, weil sie zufällig gleich alt ist) verstärkten und vor allem einen Weg raus boten, den ich für umsetzbar hielt. Denn seien wir ehrlich, mit mehreren Korrekturgruppen, davon vielleicht mehrfach Oberstufe, ist oft eine aufwendigere Unterrichtsplanung und mehrfache Differenzierung kaum möglich. In meinem Hinterkopf schwelt dann immer so eine ganz grobe Idee und arbeitet im Unbewussten weiter. Irgendwann setze ich mich selber unter Zugzwang, indem ich den Schüler*innen einfach ankündige, dass wir jetzt etwas anders machen werden – und dann muss ich es halt auch durchziehen.

Das ging im letzten Halbjahr durchaus auch zu Lasten der zeitnahen Korrekturen (fairerweise, noch nie meine Stärke, diesmal hat es aber einfach noch länger gedauert). Denn wenn ich eine komplette Unterrichtsreihe projektartiger und mit Methoden des selbstregulierten Lernens umsetzen möchte, muss ich mich in vieles ganz neu reindenken, neue Strukturen verstehen, finden, für meine Klassen anpassen, alles zusammenstellen und auch erstellen (und hinterher/währenddessen reflektieren)… das kostete durchaus viel Zeit. Dafür hatte ich dann aber während des laufenden Projekts deutlich mehr Entspannung – und vor allem im Unterricht viel mehr Zeit für die Kinder, konnte mehr auf sie eingehen. Ich konnte meine sehr leistungsstarken und nach sinnvollen Aufgaben hungernden Mädels auch tatsächlich mal fordern und nicht nur ein bisschen vertrösten und beschäftigen. Die Beziehung zu meiner einen Klasse, die ich neu übernommen und mit der ich im „klassischen“ Unterricht extrem gekämpft habe, hat sich deutlich verbessert, u.a. weil ich deutlich entspannter bin, denn ich muss nicht mehr krampfhaft im 90-Minuten-Modell alles ständig unter Kontrolle halten (auch wenn einige immer noch sehr unzufrieden sind, dass ich ihnen nicht einfach lehrerzentriert alles mehrfach vorkaue…).

Zwei andere Faktoren haben diese Entwicklung übrigens auch verstärkt: eine sehr leistungsstarke Englischgruppe in der Mittelstufe und der sehr leistungsstarke und vor allem sehr offene und motivierte Englisch LK, der dieses Jahr Abi machen wird (sie werden mir sehr fehlen…). Vor allem in der Mittelstufe stellte sich schnell heraus, dass diese Gruppe mit dem Lehrwerk komplett unterfordert wäre. Ich selber finde das Lehrwerk langweilig und dieser ewig gleiche Ablauf von „Text – eine Aufgabe zum Textverständnis – eine Aufgabe zum Erarbeiten der Grammatik in diesem Text – zwei Übungsaufgaben zur Grammatik – ein längerer Text mit immer gleichen Aufgaben“ nervt mich sehr. Die Schüler*innen brauchten mehr Futter, sie sollten die Sprache anwenden, ihre wirklich guten Kompetenzen nutzen und weiter ausbauen. Und im LK war es ähnlich – auch wenn es da kein Lehrwerk gibt. Sie haben sich bereitwillig auf alles eingelassen und sind alle meine Experimente mitgegangen und haben dabei immer gutes Feedback gegeben.

Und das ist ein weiterer Baustein, den ich letztes Halbjahr konsequenter begonnen habe und weiterführen möchte: regelmäßiges Feedback zu den Reihen, zum Unterricht, zu meinen „Experimenten“. Diese mache ich immer über moodle, da es so anonym gegeben werden kann (auch wenn zum Glück gerade der LK, meine ich, auch im Gespräch sehr offenes und ehrliches Feedback gibt und keine Sorgen zu haben scheint, dass ich ihnen das negativ auslegen würde).

Denn es ist bei mir auch noch viel trial and error, experimentieren – meine letzte Reihe im LK verlief für mich bspw. nicht so befriedigend (und für mich habe ich auch schon einige Anhaltspunkte gefunden, die in der Planung lagen, bin aber gespannt, was der Kurs noch sagen wird). Es ist die Erkenntnis, dass die 6er und 7er und auch 8er alle an wirklich sehr unterschiedlichen Punkten stehen und nicht unbedingt alles methodische einfach so übertragen kann. Hier bin ich auch auf die Rückmeldungen der Schüler*innen angewiesen – zusätzlich ist das Reflektieren ja auch zentraler Bestandteil des selbstregulierten Lernens.

Ein weiterer Punkt, der für mich auch dazu gehört, sind die Klassenarbeiten. Hierbei meine ich vor allem die SI, in der Oberstufe sehe ich da momentan noch nicht wirklich Spielraum. Dazu gehört für mich im ersten Schritt die Gestaltung der Klassenarbeiten, so dass sie möglichst wirklich Raum geben, Kompetenzen zu zeigen. Mein erster Schritt war erst mal Emotionsregulation, indem ich die Spickzettel-Methode nutzte: Alle bekommen vor Beginn der Arbeit ein Post-It von mir, auf das sie alles schreiben durften, was sie möchten. Meine Mittelstufe hat das extrem gut angenommen, es hätte ihnen tatsächlich Druck genommen und sie fordern es auch immer wieder ein bzw. erinnern mich daran.

In einer anderen Klasse teste ich jetzt eine erste Variante einer Art open book Arbeit beim Thema Grammatik. Ich hatte eh ein Quizlet angelegt mit allen Fachbegriffen zum Lernen, die werde ich ausdrucken und sie können da noch mal nachgucken. Es geht mir ja darum, dass sie mit den Phänomenen umgehen und Sprache untersuchen können und nicht darum, um die 40 Begriffe auswendig zu lernen.

Ich möchte noch mehr in diese Richtung weiter gehen, um auch wirklich die bspw. in unserem Kernlehrplan geforderten Kompetenzen der Textplanung und Textüberarbeitung einbauen zu können. Das ist eigentlich realistisch in 45 Minuten (Zeitfenster einer Klassenarbeit in Klasse 5-6, teils 7) nicht machbar.

Ebenso versuche ich schon etwas länger, auch die Berichtigungen fokussierter zu gestalten, den Schüler*innen auch hierbei beizubringen, ihre Arbeiten auszuwerten, Schwerpunkte zu setzen und an diesen zu arbeiten, statt einfach nur alles noch mal „richtig“ abschreiben (da sind dann in der Regel eh wieder jede Menge neue Fehler drin).

Es passiert für mich also gerade sehr viel. Und es klingt nach sehr viel Arbeit. Aber es ist für mich gerade so sinnstiftend und macht mich gerade deshalb auch sehr zufrieden und es geht mir so viel besser als letztes Schuljahr.

Der letzte Plan ist, diese ganzen Projekte und Ideen zu dokumentieren, reflektieren und sie dann auch zu teilen. Da suche ich aber noch einen gangbaren Weg für mich – und es steht auf der Prioritätenliste weiter hinten (sogar hinter den Korrekturen 😉 ).


(Kurz fassen ist leider nicht meine Stärke… ich hätte wahrscheinlich schon längst wieder bloggen sollen – oder vielleicht sind gerade deshalb social media eher meins, weil ich mich kürzer fassen muss ;-p)

Hier finden sich andere Beiträge der Blogparade, die ich hoffentlich ergänzen werde (wenn ich wieder sicher weiß, wie wordpress funktioniert… ich habe viel vergessen…):

Und hier ein Auftakt-Beitrag, auf dem sich auch der link des ZUM Pads mit den Themenvorschlägen findet: